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Noch mal vorab:
Wie auf der Eingangsseite schon beschrieben lege ich hier einen detaillierten Erfahrungsbericht dar. Es ist mir unabhängig von der Qualität des Berichtes nach §6 RDG leider untersagt, dir eine juristische Beratungsdienstleistung zu bieten solange sie nicht von einer Person mit Befähigung zum Richteramt angeleitet ist. Ich gebe hier also keine Anleitung, wie man juristisch in deinem Einzelfall zum Erfolg kommt. Ich stelle aber meine Geschichte im Zusammenhang allgemeiner Sachverhalte dar und belege diese. Ob und in welcher Form du diese Informationen nutzt, musst du entscheiden.
Wenn du denkst, dass dies auch für Andere in deinem Bekanntenkreis von Interesse sein könnte, so teile es gern und viel. Mit dieser Webseite möchte ich verzweifelten Eltern Mut machen, sich nicht verwirrenden und teilweise falschen Aussagen offizieller Stellen im Kitaplatz-Vergabeprozess zu ergeben, sondern in die Rechtsstaatlichkeit zu vertrauen und mutig, wenn nötig, den Rechtsweg zu gehen.
Anmeldung zuerst
Im Dezember 2019 habe ich alle Betreuungsstätten freier Träger und
Tagespflegepersonen in meinem zumutbaren Umkreis angesprochen sowie die
offizielle Anmeldung für Kitas, deren Plätze über die Gemeindeverwaltung
vergeben werden, abgegeben.
In meiner Gemeinde wurde der Antrag erst ab März 2020 wirklich bearbeitet, weil "erst dann die Abstimmungen für die Vergabe zum Schuljahreswechsel im August/September" anstünden.
Die Antwort auf den Antrag ging erst im Juni 2020 ein, also entgegen der Rechtslage erst nach der Frist zur Umsetzung des Rechtsanspruchs, wie mir später erst klar wurde (Ein halbes Jahr wird in der Rechtssprechung als angemessen angesehen). Diese Antwort erfolgte als Information, nicht als Bescheid, da die Gemeinde nur für die Vergabe in den Kitas zuständig ist, die sie verwaltet oder mit denen sie die Vergabe abgestimmt haben. Die Gemeinde kann mir nicht Auskunft für alle Betreuungsstätten geben, da nicht sie für alle zuständig ist, sondern das Jugendamt. Daher informierte sie mich lediglich, dass es einfach keinen Platz für mein Kind gab.
Schriftliche Antworten
Während die Gemeinde auf einen Antrag (Anmeldeformular) mir schriftlich
eine Antwort geben muss, sind Kitas und Tagespflegepersonen dazu
natürlich nicht verpflichtet. Insbesondere Tagespflegepersonen haben
neben der langen Betreuungszeit bereits genug Organisatorisches um die
Ohren und werden sich in Gemeinden mit prekärer Betreuungssituation
nicht schriftlich um hunderte Anfragen kümmern können. Für spätere
Zwecke ist daher von Tagespflegepersonen oder Kitas freier Träger keine
schriftliche Ablehnung erforderlich.
Wen ansprechen?
Grundsätzlich erlaubt das Kitagesetz den Eltern ein Wahlrecht.
Vielleicht möchte man sein Kind bewusst oder bewusst nicht in eine
Einrichtung mit religiöser Ausrichtung geben oder eher in kleine Gruppen
in der Tagespflege oder eher in eine große Gruppe in der Kita. Inwiefern
dieses bei Platzknappheit durchsetzbar ist, weiß ich nicht. Wir haben
das nicht weiter Betrachtet sondern wollten überhaupt erst mal einen
Platz.
Eine weitere Einschränkung ist aber der Anfahrtsweg. "in Anlehnung an 3 24 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII ist ein Betreuungsplatz nachzuweisen, der hinsichtlich der örtlichen Lage dem individuellen Bedarf entspricht. Dies ist der Fall, wenn er von den Eltern und dem Kind in zumutbarer Weise zu erreichen ist, wobei die Betrachtung des Einzelfalls unter anderem die Entfernung zur Arbeitsstelle und zur Wohnung und der mit dem Bringen und Abholen des Kindes einhergehende zeitliche Aufwand für die Eltern [...] einzubeziehen sind." (VG 7 L 55/21)
Es zählt somit Hin- und Rückweg zusammen, bzw. die Verzögerung zum Arbeitsweg, wenn die Kita auf diesem liegt und die Eltern zu den Bring- und Holzeiten dort auch hin können. Hier wird im Zweifel einfach sehr individuell betrachtet. Wichtig ist: Es wird mit den zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln gerechnet. Da wir kein Auto besitzen, wurde hier also der Weg mit dem ÖPNV gerechnet.
Der Gesetzgeber verlangt jedenfalls nicht, stundenlang mit dem Kind im Landkreis umherzufahren, um irgendwie einen freien Platz zu ergattern.
Bearbeitung der Anträge
Viele Gemeinden beginnen erst im März mit dem Vergabeverfahren der
Kitaplätze, um im September dann die Kinder in die Eingewöhnung zu
geben. Bei meinem Kind, das im März Geburtstag hat, käme das ja zufällig
hin mit einem halben Jahr Verzögerung (siehe unten unter "Wie lange kann
das Amt mich hinhalten"). Kinder, die aber z.B. im November 1 Jahr alt
werden und für die pünktlich der Antrag eingereicht wurde, müssen aber
spätestens im Mai einen Platz erhalten. Das ganze Vergabeverfahren ist
in vielen Gemeinden also bereits gegen das Sozialgerichtsgesetz.
Begründen tut man das damit, dass ja mit dem neuen Schuljahr erst wieder
Plätze frei werden. Offenbaren tut es nur, dass Gemeinde und Landkreis
ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommen, genug Plätze
zu schaffen, um dem Anspruch der Kinder gerecht zu werden. Genug heißt
im Zweifel eben nicht, gerade so viele Plätze wie Kinder, sondern auch
ein wenig Reserve.
Da also meine Versuche erfolglos blieben, musste ich den gesetzlich zuständigen Träger kontaktieren - das Jugendamt meines Landkreises. Am Telefon sagte mir die Amtsleiterin, dass bereits 20 Klagen seit teilweise über 5 Jahren auf dem Schreibtisch lägen und keine einzige entschieden wäre. Ich könne nun gern die 21. Klage vorbringen, aber einen Platz bekäme mein Kind dadurch nicht und es mache allen nur viel Arbeit.
Ich war zunächst ernüchtert. Es gäbe also einen Anspruch per Gesetz, aber durchsetzen lässt er sich nicht? Macht das alles Sinn?
Erst eine befreundete Richterin riet mir ausdrücklich zum Rechtsweg. Der Rechtsschutz müsse gewährleistet sein. Und sie verwies mich auf wenige aber doch bestehende Gerichtsbeschlüsse, die ich zitieren konnte.
Und das ließ mich auch noch mal reflektieren, was da beim Amt los war. Klagen, die seit Jahren nicht entschieden sind... Moment, dumm sind die Gerichte ja nicht. Nach 5 Jahren brauche ich keine Entscheidung zu einem Kitaplatz mehr. Also... können das doch gar keine Klagen auf einen Kitaplatz sein! Ein solch langes Verfahren für einen Kitaplatz macht ja gar keinen Sinn. Das können doch nur Klagen auf Entschädigungszahlungen wegen Verdienstausfällen wegen nicht betreuter Kinder sein, aber keine Klagen der Kinder (Anspruchsberechtigten) auf einen Platz! Ich kann hier nur Mutmaßungen anstellen, aber alles andere macht doch keinen Sinn. Einen Kitaplatz braucht man kurzfristig, also kann dieser nur sinnvoll in einer Klage mit Eilantrag im einstweiligen Rechtsschutz erfolgreich eingeklagt werden. Und ganz offenbar hatte das bis Anfang 2021 noch niemals jemand in meinem Landkreis gemacht, obwohl nach Angaben der Eltern hier die Lage seit mindestens 15 Jahren äußerst prekär ist.
Warum klagen viele Eltern auf Entschädigung, aber so gut wie niemand
auf einen Kitaplatz im Eilverfahren?
Diese Frage habe ich mir eine Zeit lang gestellt. Wem nützt das?
Natürlich, Entschädigung bekommen ist immer gut. Aber letztlich will man
doch schnellstmöglich einen Platz für das Kind.
Ich lernte mittlerweile mehrere Anwälte kennen. Alle rieten mir sofort, auf Entschädigung zu klagen. Geld ziehe immer am besten. Hm. Offenbar ja nicht. Die Leiterin des Fachbereichs in meinem Jugendamt zuckt ja offenbar seit Jahren mit den Schultern...
Nun... man muss wohl einfach wissen, dass Anwälte am Streitwert verdienen. Im Eilverfahren auf einen Kitaplatz zu klagen ist nicht sehr lukrativ. Lieber auf viel Geld. Selbst wenn es sich erst in vielen Jahren auszahlt. Und auch Eltern spielen vielleicht eher mit, wenn sie schon für das Erstgespräch einen dreistelligen Betrag losgeworden sind, sich möglichst viel zurückzuholen.
Zudem muss man bedenken: Man hat nicht ewig Zeit den einstweiligen Rechtsschutz zu bemühen. Wenn ich eine Ablehnung (oder keine Antwort) vom Amt bekomme und noch Monate verstreichen lasse, dann kann ein Gericht sicherlich fragen, wie sich denn die Eile begründet, wenn man sich seit vielen Monaten mit dem Bescheid des Amtes abfinde. Wenn also Eltern Rat bei einem Anwalt suchen, sollten sie darauf aufpassen, dass nicht zu viel Zeit für die Klage im Eilverfahren vergeht und man sich stattdessen den Anspruch auf Entschädigung monatelang ausrechnet.
Eins steht fest: Auf Entschädigung kann man ja später immer noch klagen. Da spricht ja nichts dagegen. Den Ausfall kann man eh erst beziffern, wenn ein Betreuungsplatz da ist und man weiß, wie lang der Verdienstausfall denn nun war. Ich habe aber noch kein Urteil einer Entschädigungszahlung recherchieren können.
Mit dem groben Überblick zum einstweiligen Rechtsschutz und einigen zitierfähigen Gerichtsbeschlüssen in der Hand, fasste ich neuen Mut und stellte einen Antrag beim Jugendamt auf einen Betreuungsplatz in zumutbarer Nähe. Ich schilderte, dass mir kein Auto zur Verfügung steht und ich bisher nur Absagen erhalten hatte und nahm gleich von Anfang an Bezug auf bestehende Rechtssprechung.
Nach einigen Wochen ohne schriftliche Antwort, die es eigentlich auf einen Antrag immer geben muss, fragte ich telefonisch nach. Die Antwort am Telefon war sinngemäß: "Wir können keinen positiven Bescheid ausstellen, weil kein Platz zur Verfügung steht. Wir können auch keinen negativen Bescheid ausstellen, weil dieser nicht abbildet, dass wir uns ja um einen Platz bemühen. Darum erhalten sie von uns gar keine Antwort.". So ging man also mit meinem Antrag um.
Desweiteren wurde ich am Telefon darauf hingewiesen, dass meine Frau sich doch (Mitten in einer Pandemie als Kulturschaffende) eine Vollzeitstelle suchen solle, um in der "Prioritätenliste" aufzusteigen. Eine sehr absurde Aussage, da ich selbst von Polizistenehepaaren erfahren hatte, die keinen Platz für ihr Kind abbekommen hatten und die Arbeit der Eltern nach Kita-Gesetz auch völlig irrelevant ist, sobald das Kind 1 Jahr alt ist. Es geht im Gesetz ja darum, dass das Kind unter Seinesgleichen aufwächst und nicht dass die Eltern arbeiten können. Deshalb klagt auch ggf. das Kind auf den Kitaplatz, die Eltern vertreten es nur (aber dazu später mehr).
Ich stellte also eine Dienstaufsichtsbeschwerde, auch, um nun endlich mal eine schriftliche Antwort zu erhalten. In der Zwischenzeit kam auch die Schriftliche Antwort vom Amt an und später auch die Antwort auf die Dienstaufsichtsbeschwerde. In beiden Schriften wurde beteuert, dass man sich ja bemühe, aber eben gerade Platzmangel herrscht und kein Platz verfügbar sei. Und das, obwohl die zitierten Gerichtsbeschlüsse ganz genau diese Argumentation ja bereits ausschlossen. Man stellte sich hier also offenbar über geltendes Landesrecht indem man behauptete, dieses gelte eben für den Landkreis nicht.
Nebenbei schrieb ich auch noch mal den Bürgermeister und die Gemeinde an und zitierte abermals die Gerichtsbeschlüsse. Wieder wurde behauptet, dass Kitaplätze nur im Rahmen verfügbarer Plätze vergeben werde könnten und man das eben verstehen müsse. Oder es kam eben gar keine Antwort.
Nützt das alles was?
Mittel wie Anfragen an die Gemeindeverwaltungen, die
Gemeindevertretungen oder Dienstaufsichtsbeschwerden sind natürlich
alles nur Versuche, vielleicht außergerichtlich noch etwas zu bewirken.
Erzwingen kann man damit nichts. Und diese Erfahrung habe ich auch sehr
deutlich gemacht. Egal an welcher Stelle ich gefragt hatte, überall hieß
es sinngemäß:
"Es ist kein Betreuungsplatz da"
"Alle verfügbaren Plätze sind vollständig ausgelastet"
"Betreuungsschlüssel verbieten eine Überbelegung"
"Nutzungszulassung der Gebäude verbieten eine Überbelegung"
bla bla bla
Schon die zitierten Beschlüsse vor meinem Rechtsweg stellten klar, dass der Anspruch des Kindes auf einen Betreuungsplatz über dem Anspruch an Betreuungsschlüssel und anderweitig begründete Beschränkungen steht. Das wurde in meinem Fall aber von der Gemeindeverwaltung, dem Bürgermeister, dem Jugendamt und dem Dezernat trotz deutlichem Hinweis ignoriert.
Wer ist verantwortlich?
"Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe [--> das
Jugendamt] hat die Aufgabe, die Kindertagesbetreuung nach § 1 zu
gewährleisten. Kreisangehörige Gemeinden, Ämter und Verbandsgemeinden
können sich durch öffentlich-rechtlichen Vertrag verpflichten, in
ihrem Gebiet die Aufgabe für den örtlichen Träger der öffentlichen
Jugendhilfe durchzuführen; die örtliche Trägerschaft der öffentlichen
Jugendhilfe bleibt davon unberührt." § 12 (1) KitaG)
"Die Gemeinde stellt dem Träger einer gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 erforderlichen Kindertagesstätte das Grundstück einschließlich der Gebäude zur Verfügung und trägt die bei sparsamer Betriebsführung notwendigen Bewirtschaftungs- und Erhaltungskosten für Gebäude und Grundstücke" (§ 16 (3) KitaG)
Der Gerichtsbeschluss in meinem Fall hat § 12 (1) noch mal unterstrichen. Wenn Gemeinden ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkommen ist das eine Sache zwischen Landkreis und Gemeinde. Der Anspruch des Kindes auf einen Betreuungsplatz bleibt aber gegenüber dem Landkreis. Das Jugendamt kann sich hier nicht freikaufen.
Wie muss so ein Antrag an das Jugendamt aussehen?
Es kann durchaus sein, dass es in den Jugendämtern mancher Landkreise
hierfür Formulare gibt. In meinem Fall habe ich aber einfach die
verantwortliche Person mit einem Antrag angeschrieben. Den Auszug mit
den wichtigsten Zeilen meines Antrages findest du hier.
Und wenn ich keine Antwort erhalte?
Man kann immer versuchen, beim Amt telefonisch oder persönlich
nachzufragen. Im Zweifel kann man den Antrag wiederholen und eine
angemessene Frist für eine Antwort setzen. 2-3 Wochen sollten hier
angemessen sein. Normalerweise würde man natürlich nur gegen einen
ablehnenden Bescheid Rechtsmittel einlegen, aber da ich gar keine
Bescheid erhielt, musste ich eben einfach so klagen.
Wie lange kann das Amt mich hinhalten?
Das Amt hat natürlich eine gewisse Zeit zu reagieren. Wenn man
irgendwohin zieht bekommt man im Zweifel nicht von heute auf morgen den
Platz in der Lieblings-Kita. Das Jugendamt hatte mich selbst darauf hingewiesen, dass sie 6 Monate Zeit
haben, den Anspruch umzusetzen. Ab dem Zeitpunkt ab dem der
Anspruch besteht (also das Kind 1 Jahr alt ist und der Antrag
eingegangen ist). Das klingt an sich auch sinnvoll. Eltern werden vom
Staat maximal 1 Jahr lang (bei Aufteilung noch 2 Monate länger) mit
Elterngeld vor zu großen Einbußen durch Betreuungsaufwand unterstützt.
Ab dann gilt der Anspruch auf Betreuung. Wenn der nicht sofort umgesetzt
wird muss man ja Arbeitslosengeld beantragen. Und das kann man für genau
6 Monate ohne allzu große Aufwände und Verpflichtungen, wenn absehbar
ist, dass man danach wieder arbeiten kann. Demnach ist es schon
sinnvoll, dass spätestens nach diesen weiteren 6 Monaten der
Betreuungsplatz zur Verfügung steht. Vorher könnte man ihn wohl auch
nicht erfolgreich einklagen (es sei denn besondere persönliche Umstände
erfordern dies).
Nachdem ich nun wirklich alles versucht hatte, um außergerichtlich den Anspruch meines Kindes durchzusetzen, blieb nur noch die Klage.
Wie gesagt, es war für mich entscheidend, nicht auf Entschädigung zu klagen und wie 20 Leute vor mir im Schubfach zu landen, sondern den einstweiligen Rechtsschutz zu nutzen, und den Kitaplatz schnell durchzusetzen.
Ich stellte also den bisherigen Schriftverkehr zusammen, schilderte kurz den Ablauf und reichte die Klage mit Antrag auf einstweilige Anordnung ein. Also was heißt ich... da das Kind den Anspruch auf einen Kitaplatz ab dem ersten Lebensjahr hat (vgl. § 1 (2) KitaG), ist auch das Kind dasjenige, das klagte. Ich als Papa vertrat es nur.
Das Wichtigste war jedoch, dass ich für die ganze Aktion keinen Anwalt brauchte und somit auch bis auf die Briefmarken keine Kosten hatte.
Weder ist es vorgeschrieben, noch finde ich im Nachhinein die Formulierung meines Antrags besonders "juristisch". Ich musste eben einfach schildern, was ich versucht habe und dass es erfolglos blieb. Der Rest waren nur die Anlagen des bisherigen Schriftverkehrs.
Wegen nochmaliger Nachfrage, ob denn die Vollmacht meiner Frau nicht nur für das Hauptverfahren, sondern auch für den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gelte, verzögerte sich der Beschluss um weitere zwei Wochen. Manche Dinge müssen eben lieber gleich präzise formuliert werden... 😊
Der Beschluss zur Klage kam dann durch die Verzögerungen erst nach 9 Wochen. Normalerweise geht sowas wohl deutlich schneller, aber ich bekam noch zwei Rückfragen, weil ich zunächst nicht beachtet hatte, dass beide gesetzlichen Vertreter zustimmen müssen oder eine Vollmacht ausstellen müssen. Ohne dies wären es sicher zwei drei Wochen weniger gewesen. Wie nicht anders zu erwarten war der Beschluss positiv und verpflichtete den Landkreis innerhalb von 3 Wochen einen Betreuungsplatz für mein Kind nachzuweisen.
Und wie mir später vom Amt noch mal bestätigt wurde tatsächlich der allererste Beschluss zu Kitaplatzklagen im Landkreis. Einfach nur, weil ich das eingeklagt hatte, was mir am wichtigsten war: den Kitaplatz. Die Leitung des Jugendamtes hatte sich sogar noch bedankt, dass sie mit dem Urteil jetzt endlich Druck auf die Gemeinden ausmachen können. Obwohl ich ein gleichartiges weiteres Urteil vom selben Verwaltungsgericht nur aus einem anderen Landkreis bereits Monate zuvor zitiert hatte. Mein Jugendamt war also bis dahin offenbar der Überzeugung, dass in unserem Landkreis die Rechtssprechung nicht gilt. 🤔
Einer der wesentlichsten Sätze auch dieses Beschlusses wieder: "Der
Antragsgegner kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen
Kapazitätsengpass in sämtlichen wohnortnahen Einrichtungen berufen."
(VG 7 L 55/21)
./.
Das ist Juristendeutsch und heißt so viel wie "gegen". Also
"Max Mustermann ./. Landkreis Havelland beschreibt nur, wer gegen wen
klagt.
Klage? Gegen wen denn jetzt?
Auf einen Kitaplatz konnte ich nur gegen den Landkreis klagen, da dieser
eben der verantwortliche Träger nach § 86 (1) SGB VIII ist. Die Gemeinde stellt nach §
16 (3) KitaG nur Grundstück und Gebäude zur Verfügung.
Gern beschwert sich der Landkreis natürlich darüber, dass er ja selbst keine Kitas bauen kann und da auf die Gemeinden angewiesen ist, deren sich oft in langen Abständen treffenden Gemeindevertreter das ja auch erst mal beschließen müssen. Allerdings stimmt diese Darstellung nicht und der Landkreis kann selbst Kitas schaffen und hat einen Anspruch darauf, die Betriebskosten von der Gemeinde übernehmen zu lassen. Gemeinden, die dem Bau nicht nachkommen sind zurecht auch zu kritisieren. Aber sie sind eben nicht der Antragsgegner einer Klage auf einen Kitaplatz und die Tatsache, dass zu wenige Gebäude gebaut werden entbindet den Landkreis eben nicht von seiner Pflicht (vgl. Beschluss vom 22.03.2018 – OVG 6 S 2/18).
Irgendwelche Fristen?
Direkte Fristen hatte ich für die Klage nicht einzuhalten. Dennoch war
es aber für die Begründung der gebotenen Eile schon wichtig, nach dem
letzten Versuch der außergerichtlichen Klärung (was bei mir die
Dienstaufsichtsbeschwerde war) nicht mehr allzu lange zu warten. Wenn
man ein Jahr keinen Kontakt sucht und plötzlich einen Antrag auf ein
Eilverfahren stellt, braucht man sich nicht wundern, wenn das Gericht
die Eile nicht mehr als begründet bewertet. Man hat sich ja dann
offenbar mit der Situation abgefunden. Ob es da ein fixes Maß zur
Bewertung der gebotenen Eile gibt, weiß ich nicht. Letztlich musste mein
Antrag schlüssig sein.
Nur Brandenburg?
Nein, das KitaG ist ein Gesetz für Berlin und Brandenburg. Andere
Bundesländer haben aber eigene. Im Grunde ist der Anspruch aber auf
Bundesebene geregelt und so von den Beschlüssen der VG auch zitiert. Im
Grundsatz dürften sich die Gesetze in anderen Bundesländern also ähnlich
sein.
Nun möchte man glauben, dass ein Gerichtsbeschluss normalerweise für Klarheit und entsprechende Handlung sorgt. Nicht so in meinem Fall. Das Jugendamt reagierte.... überhaupt nicht. Nach zweieinhalb Wochen (also wenige Tage vor Fristablauf) fragte ich nach, wie es denn nun weitergeht, schließlich war die Frist zur Beschwerde gegen das Urteil (2 Wochen) bereits abgelaufen.
Die Antwort (sinngemäß) am Telefon: "Wir akzeptieren den Beschlussl und bestätigen den Rechtsanspruch. Aber wir wissen auch nicht, wie sich das Gericht das jetzt vorstellt, wir haben jedenfalls immer noch keinen Platz für ihr Kind, sie müssen weiter warten." Das Jugendamt setzte sich damit also schlicht und einfach über einen Gerichtsbeschluss hinweg. Würde ich das als Privatperson tun, stünde sehr schnell die Polizei vor der Tür. Das Jugendamt meinte offenbar, über dem Gesetz zu stehen.
Es blieb mir also nur noch übrig, einen letzten Schritt zu gehen. Wenn bitten und klagen nicht mehr reicht, dann muss eben mit der unmittelbaren Strafe gedroht werden.
So stellte ich einen Antrag auf Vollstreckung eines Zwangsgeldes nach § 172 VwGO. Das war nur ein kurzer Zweizeiler ans Gericht mit Bezug zum Verfahren. Der Antrag wurde prompt bearbeitet. Am Telefon klärte man mich noch darüber auf, dass ich vom weiteren Verlauf nichts mehr mitbekomme, weil das Verfahren ja inhaltlich entschieden sei und das Gericht bezüglich des Zwangsgeldes nun nur noch mit dem Landkreis kommuniziert. Man nannte mir aber am Telefon eine nun gesetzte Frist bis zur Vollstreckung des Zwangsgeldes bei Nicht-Erfüllung des Gerichtsbeschlusses von 2 Wochen. Ich dachte mir, dass das Gericht hier keine längere Frist ansetzen wird, als beim Beschluss selbst. So eben 2 Wochen. Die Höhe des Zwangsgeldes wurde 2018 vom OVG von € 1.000 auf € 5.000 hochgesetzt - mit der Begründung "den rechtsuntreuen Willen der Behörde zu überwinden" (das lässt tief blicken...).
Am allerletzten Tag der Frist erhielt ich von der Gemeinde eine Email. Ja, eine Email, keinen Brief. Man habe nun ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt einen freien Platz für meinen Sohn in der bis vor wenigen Tagen immer noch nicht aufnahmefähigen Kita, die von der Gemeinde verwaltet wird.
Nun also plötzlich, nachdem Gemeinde, Bürgermeister, Jugendamt und Dezernat mir entweder nie Recht geben wollten oder sich mit der Argumentation schon in den ersten Anträgen nie beschäftigt hatten, ging es von heute auf morgen. Und wie immer ist es das liebe Geld, was Menschen zum Handeln zwingen muss. Dass es einem Kind bis zur allerletzten Sekunde vor einer Strafzahlung verwehrt bleiben muss, den das Recht auf einen Kitaplatz wahrnehmen zu können, ist schon sehr traurig und bezeichnend. Und ich höre von vielen Eltern um mich herum, dass sie bei ihren Nachfragen und Anträgen ebenso schlecht behandelt werden.
Und warum? Weil eine gesetzliche Pflicht gegen wirtschaftliche Interessen abgewogen wird. Weil die Gemeinden lieber andere Dinge zum Bau beschließen als Kitas. Zig sicherlich schöne und/oder wichtige Dinge werden gebaut, die aber eben keine gesetzliche Pflicht sind. Kitabau ist es. Und offenbar gibt es keine andere Instanz als den Bürger selbst, das Kitagesetz in diesem Punkt auch durchzusetzen.
Was ist denn dieses Zwangsgeld?
Der ehemalige Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes Klaus Rennert hat
in einem schönen Beitrag in der FAZ derüber informiert, unter
welchen denkbaren Mitteln der Staat abgewogen hat, wie die Justiz den
Staat zu Handlungen zwingen kann. Das Zwangsgeld ist demnach als eine
mehr symbolische Strafe gedacht, die merkbar, aber auch nicht zu hoch
ausfallen sollte, da letztlich nur Steuergelder von A nach B gehen.
Kern eines Zwangsgeldes ist also nicht die Entschädigung des Klägers. Das Geld zieht das Gericht ein, wenn nach Ablauf einer vom Richter festgelegten Frist ein Beschluss nicht umgesetzt wird. Also es bucht tatsächlich ab und wartet nicht, bis der Landkreis sich bequemt zu überweisen. Weiter heißt es im § 172 VwGO: "Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.". Und wie ich hörte wird das im Normalfall eben auch genau so getan.
Somit war es nicht nur in der Theorie, sondern auch offenbar in meinem ganz konkreten Fall das finale Mittel zur Durchsetzung eines Rechtsanspruchs. Und es wird für jeden nicht umgesetzten Beschluss, für den ein Kläger den Antrag stellt, einzeln vom Gericht bearbeitet. Mit vielen Klagen können hier also enorme Summen zusammenkommen, die, wenn sie wie in meinem Fall alle 2 Wochen vollstreckt würden, einen enormen Druck auf die Schaffung von Kitaplätzen geben würden. Argumentationen, dass eine Kita € 100.000 zu viel kostet sind dann ganz schnell obsolet.
Auch für den Antrag auf das Zwangsgeld habe ich natürlich auch keinen Anwalt bemühen müssen. Es war ein einfacher Antrag in dem ich nur geschildert habe, dass der Beschluss nicht umgesetzt wurde.
Nachdem ich das Angebot auf einen dauerhaften Kitaplatz bekommen hatte,
konnte ich natürlich die Klage in der Hauptsache für erledigt erklären. Es war wichtig,
die Klage für erledigt zu erklären und sie nicht zurück zu nehmen, denn
dann hätte ich meinen Anspruch ja zurückgezogen und hätte die
Gerichtskosten tragen müssen. So trug ich nur die Verfahrens"kosten",
also die Kosten die ich hatte - ein paar Briefmarken.
Hätte die Gemeinde meinem Kind nur einen vorläufigen Kitaplatz
angeboten, hätte ich die Hauptsache natürlich nicht für erledigt erklärt
und eine abschließende Entscheidung oder einen dauerhaften Kitaplatz
abgewartet.
Auch den Antrag auf Vollstreckung des Zwangsgeldes musste ich noch mal
explizit
zurücknehmen, damit der Fall vollständig erledigt war.
Zu beiden Schritten hatte das Gericht mich abgefragt. Man verpasst also
nichts versehentlich.
Ich bin kein Jurist. Ich hatte zwar Hilfe von einem Juristen, weil auch ich meine Berührungsängste mit dem Thema hatte. Aber im Nachhinein muss ich einfach den Schriftverkehr betrachten und feststellen, dass man das auch alleine formulieren kann. Hätte ich gern getan, um hier etwas mehr Sicherheit ausstrahlen zu können und auch die ganze Sache überhaupt schneller abzuschließen, aber nun ist es eben so.